Die Lösungsphase
Die Lösungsphase
Die Lösungsphase zu Beginn jeder Trainingseinheit wird auch Aufwärm- oder Dehnungsphase genannt und dient der körperlichen und seelischen Vorbereitung auf die folgende Belastung von Pferd und Reiter. Sie stellt eine Übergangszeit zwischen Ruhe und Arbeit da. Während der ersten 10 bis 20 Minuten jeder Reitstunde steigen beim Pferd die Herzfrequenz, die Anzahl der Atemzüge und die Körpertemperatur an. Ebenfalls wird die Muskulatur vermehrt durchblutet. Bei Hitze geschieht dies etwas schneller, dafür dauert das „Aufwärmen“ im Winter erheblich länger. Außerdem dauert das Lösen artgerecht gehaltener Pferde wesentlich kürzer als das von im Stall eingesperrten Artgenossen.
Die Dehnungsphase ermöglicht es dem gesamten Körper sich auf die kommende Arbeit einzustellen. Bei alten, steifen Pferden kann dies ebenfalls etwas länger dauern.
Jedes Pferd hat eine „bessere Seite“. Auf dieser Hand wird die Lösungsarbeit begonnen, doch durch häufige Handwechsel sorgt man stets dafür, dass man die meiste Zeit auf der Hand reitet, die dem Pferd mehr Probleme verursacht um diese Defizite auszugleichen.
Die Lösungsarbeit beginnt immer im Schritt auf langen Linien entweder am hingegebenen oder am langen Zügel. Ziel ist es, dass das Pferd in der Dehnungshaltung läuft und zugleich Takt, Losgelassenheit und Anlehnung erreicht. Die Dehnungshaltung sieht so aus, dass sich das Pferd über den Hals bis zum Kopf vorwärts –abwärts streckt und mit der Nase fast den Boden berührt. Wichtig ist, dass gleichzeitig die Hinterhand aktiv bleibt und der Reiter nicht fälschlicherweise mit der Hand einwirkt. Die Stirn des Pferdes muss wie auch bei der Versammlung immer vor der Senkrechten bleiben (Keine Rollkur!)
Nachdem der Reiter ca. 10 Minuten im Schritt geritten ist, haben sich die Muskeln gelockert und die Gelenke wurden geschmiert. Nun kann mit dem Traben begonnen werden. Das Traben beginnt wieder auf der „guten“ Hand des Pferdes und man trabt zunächst leicht. Der Reiter kann nun versuchen Kontakt zum Pferdemaul aufzunehmen und es von hinten in die Dehnungshaltung zu treiben. Die Anlehnung darf jedoch zu keinem Zeitpunkt durch die Reiterhand erzwungen werden. Dies führt sofort zu einem verspannten Rücken beim Pferd und zu einem schlecht sitzenden Reiter.
Dehnt sich ein Pferd auf einer Geraden (Zum Beispiel an der langen Seite), so werden die Muskelgruppen auf beiden Körperhälften gleichmäßig gestreckt. Geschieht die Dehnung aber auf gebogener Linie (Zum Beispiel auf dem Zirkel) wird eine Körperseite mehr gedehnt als die andere. Praktisch läuft dies so ab: das innere Hinterbein tritt vermehrt unter den Körper und somit wird die äußere Körperhälfte mehr gedehnt.
Es folgen nun Bahnfiguren, die eine leichte Biegung des Pferdekörpers verlangen, wie Zirkel oder Schlangenlinien aber auch Seitengänge. Handwechsel sind wichtig, damit das Pferd auf beiden Seiten gleichmäßig gelöst wird. Typische Übungen dieser Phase sind Zirkel verkleinern und vergrößern, einfache und doppelte Schlangenlinien und das Reiten von Übergängen. Übergänge dienen dazu die Aufmerksamkeit des Pferdes zu wecken und zu erhalten. Bei fortgeschrittenen Reitern und Pferden gehört auch das Schulterherein bereits in die Lösungsphase.
Das Schulterherein veranlasst eine gleichmäßige Biegung des Pferdes, während die Hinterhand vermehrt unter tritt und die Akzeptanz der Reiterhilfen zunimmt. Bei dieser Übung wird die Pferdeschulter soweit Richtung Bahnmitte gedreht, dass das Tier auf drei bzw. vier Hufschlägen gleichzeitig läuft. Am wirksamsten ist das Schulterherien, wenn man es im ausgesessenen Trab reitet. Anfänger müssen die Lektion natürlich zuerst im Schritt erarbeiten. Wichtig ist in der Ausführung ein flüssiger, energischer Bewegungsablauf ohne Stocken und Pausen.
Gegen Ende der Lösungsphase kann auch bereits mit der Stangenarbeit begonnen werden, da sich diese positiv auf das Mitschwingen des Rückens und die Aktion der Hinterhand auswirkt.
Ob sein Pferd genug gelöst ist, um mit der Arbeit zu beginnen kann man am besten testen, indem man die Lektion „Zügel aus der Hand kauen lassen“ im Trab reitet. Nimmt das Pferd die Dehnungshaltung ein, ohne an Takt, Aktion und Geschwindigkeit zu verlieren, kann man mit der Arbeitsphase beginnen.